Nur das Beste (1994)
Der Spigel 13/1994
Privatschulen, Luxushauser und Juwelen: reiche Russen genießen das feine Leben in London.
Wladislaw Sakmanow ist blendender Laune. Gerade haben Karolina lind Olga, die beiden Sopranistinnen, gefuhlvolle Weisen aus der russischen Heimat vorgetragen. Eine neue Flasche Schampus steht im Kuhler, und die Begleiterin, eine vollschlanke Brunette, schiebt ihm kichernd eine Marlboro zwischen die Lippen.
Der Geschaftsmann Sakmanow ist Stammgast im Maxie's, einem Nachtklub in Londons Nobelviertel Knights-bridge. Jeden Samstag ist Russische Nacht in diesem Etablissement gleich neben dem Luxuskaufhaus Harrods. Ein bi?chen Folklore gegen aufflackerndes Heimweh, junge und hubsche Madchen, Champagner und Kaviar bis zum Abwinken: solch ein Dasein schatzen Sakmanow und die vielen anderen russischen Barbesucher im goldenen Westen.
Maxie's-Chef Tony Chouw ist begeistert von seinen spendablen Kunden aus dem Osten: „Sie verstehen zu feiern, und das Geld geht ihnen nie aus." Rechnungen uber 1000 Pfund (2600 Mark) pro Gast sind der Normalfall. Chouw: „Sie machen sogar gro?ere Zechen als die Araber."
Vor allem finanzkraftige Besucher vom Persischen Golf und Hongkong-Chinesen sorgten mit uppigen Einkaufstouren bislang dafur, da? Londoner Immobilienmakler, Edelrestaurants und Luxusladen trotz der landesweiten Rezession auf ihre Kosten kamen. Nun etabliert sich eine zusatzliche Neureichen-Elite in der britischen Hauptstadt, mit der, so Klubbesitzer Chouw, „niemand gerechnet hat":
Es sind Russen, Ukrainer und Balten – uberwiegend smarte Profiteure eines chaotischen Booms, der nach dem Zerbersten des Sowjetimperiums schnelles Geld fur bisweilen anruchige Geschafte verspricht.
3,1 Milliarden Pfund (knapp 8 Milliarden Mark) haben nach Schatzung von Londoner Bankern Anleger aus Ru?land in britischen Geldinstituten hochverzinslich verwahrt, Tendenz steigend. Ein betrachtlicher Teil davon, so vermuten britische Interpolbeamte, stammt aus den Kassen der Russen-Mafia. Allein in Haus- und Grundbesitz, vorwiegend in exquisiter Lage wie Chelsea, Mayfair und Kensington, investierten Russen in den vergangenen beiden Jahren mindestens 125 Millionen Mark.
Verblufft registriert Immobilienhandler James Wilson, wie souveran die Klientel aus der ehemaligen Staatswirtschaft auftritt: „Sie wollen immer nur das Beste und Teuerste." Die Kaufer seien haufig „junge Unternehmer", die „offensichtlich ihr Geld sehr schnell" gemacht haben. Aber auch Tote gab es schon -Angehorige der tschetschenischen Mafia, die in ihrem Londoner Appartement von Killern erschossen wurden.
Noel De Keyzer, Direktor der Maklerfirma Savills, hat aufgeschnappt, da? einige seiner Kunden wohl im Ol- oder Holzgeschaft tatig sind. Genaueres will er nicht wissen: „Die Leute sind jedenfalls sehr verschlossen."
Und verschwenderisch obendrein: In vornehmen Einkaufsstra?en wie der New Bond Street zahlen die alerten Geschaftemacher aus der fruheren UdSSR zum hochgeschatzten Publikum. „Vor allem auf Diamanten" hatten es diese Gentlemen abgesehen, hat John Lloyd-Morgan, Manager des Juweliers Tiffany, beobachtet.
„Befremdlich" wirkt auf ihn allerdings immer wieder, wenn die russischen Besucher „selber Schmuck von schlechter Qualitat tragen und dann bei uns ein Prachtstuck von der Gro?e eines Taubeneis erwerben".
Auch Luxuswagen gehoren zu den be begehrten Gutern der neuen Konsum-Nomenklatura. Jaguar-Handler Christopher Jane in Kensing-ton sieht sein bisheriges Bild vom freudlosen Ostblockmenschen grundlich revidiert: «Eigentlich glaubt man, da? die sich fur Brot anstellen und nicht fur teure Karossen“.
Im Streben nach kapitalistischen Segnungen haben wohlhabende Ostler nun auch das britische Bildungssystem entdeckt - ein Trend, von dem sich John Rawlinson, 34, eine Erwerbsquelle erhofft, die schon bald „heftig sprudeln" kann.
Rawlinson, ein in den USA geschulter Banker, ist Leiter der Oakley Hall School in Cirencester (Grafschaft Glouce-stershire), einer kleinen Privatschule. 18 der 60 Intematszoglinge stammen derzeit aus Ru?land und der Ukraine, Tochter und Sohne von wohlinge habenden Burgern.
Die Schulgebuhr von knapp 13 000 Mark (etwa das 15facheeines russischen Lehrer-Jahresgehalts) entrichten die Eltern „immer punktlich und cash", lobt Rawlinson.
Er hat mit russischen Partnern in Moskau eine Firma gegrundet», um noch mehr Oberschicht-Kinder zur Erziehung ins Vereinigte Konigreich zu locken: „Das ist ein gewaltiger Markt, wo noch viel zu holen ist."